Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass sich zwei Fußballer in der Weinheimer Weststadt verirrten. Auf der Suche nach der Kleiderspendenbox hatten sich Kenedy Ebuka Ugboaja und Innocent Ekene Uche von der Gemeinschaftsunterkunft in der Kreissporthalle in den Laden des Schuh- und Schlüsseldienstes der Familie Nacakgedigi in die Kurt-Schumacher-Straße verlaufen. Ein glücklicher Zufall.
Denn Mustafa Nacakgedigi half nicht nur bei der Suche nach neuer Kleidung, sondern vermutete gleich richtig: Die zwei können kicken. Als Vorsitzender des SC United Weinheim freute sich Nacakgedigi über die Fußballer, die ihm da förmlich vor die Füße gefallen waren. Die Einladung zum Probetraining folgte, der Rest ist Geschichte. Eine erfolgreiche. Denn seither sind die beiden Männer feste Größen in der Mannschaft, die sich den Aufstieg in die A-Klasse, aber vor allem Integration auf die Fahnen geschrieben hat. Als Stammspieler wollen sie am Sonntag ab 12.30 Uhr beim SV Schriesheim II den nächsten Schritt Richtung Aufstieg machen.
FC Kvadro Pervomaiskyi – so hieß der letzte Verein der gebürtigen Nigerianer. Der letzte Facebook-Post des Fußballclubs mit einem Foto, auf dem auch die jetzigen United-Spieler zu sehen sind, datiert vom September 2020. Was dann mit dem Verein aus Charkiw passierte, ist nicht mehr dokumentiert. Fußball spielte jedenfalls keine Rolle mehr. In der Ukraine hatten Innocent und Kenedy nach einem langen Weg über Nigeria und mehrere arabische und afrikanische Länder versucht, über den Fußball eine neue Heimat zu finden. Und das auch erfolgreich. Sie hatten dort Ukrainisch gelernt, die Staatsbürgerschaft erhalten und einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden. Bleiben konnten sie nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs nicht. Wieder einmal zogen sie los und blieben in Weinheim hängen.
Glück für den SC United. „Wir sind sehr froh, dass uns die zwei quasi in die Arme gelaufen sind. Vorher hatten sie bei zwei anderen Vereinen Probetrainings absolviert, bei uns haben sie sich aber am besten aufgehoben gefühlt. Das zeigt uns, dass wir etwas richtig machen“, sagt Mustafa Nacakgedigi. Der hatte sich auch für Uche und Ugboaja eingesetzt, als diese auf Grundlage des Flüchtlings-Verteilungsplans 100 Kilometer weit weg verlegt wurden. „Bei uns hatten sie aber bereits Nebenjobs, der Deutsch-Kurs lief und über den Fußball war schnell ein soziales Umfeld aufgebaut“, sagt Sükrü Cansiz, stellvertretender Vorsitzender des SC United. Der Verein wurde gehört, der Mittelfeldspieler und Innenverteidiger durften wieder zurück an die Bergstraße.
Innocent Uche hat inzwischen in Heiligkreuz eine Bleibe gefunden, ist seit Kurzem Vater und hofft mit seiner Frau, endlich angekommen zu sein. „Meine Reise hat mich über Nigeria nach Dubai, den Iran, die Seychellen, den Kongo, Kamerun und die Ukraine hierher geführt. Hier in Deutschland fühle ich mich sehr wohl. Und natürlich würden wir gern bleiben, aber das liegt ja nicht in unserer Hand“, sagt der 35-Jährige. Auch Kenedy Ukboaja, der auf der Waid lebt, hofft auf das Ende seiner Odyssee, die den 30-Jährigen über den Libanon, Ägypten, Polen und die Ukraine nach Weinheim führte und ebenfalls einen ukrainischen Pass hat. „Die Situation dort hat uns aber keine Wahl gelassen, wir mussten wegen des Kriegs wieder weiter. Wir sind sehr froh, beim SC United eine neue Heimat gefunden zu haben und hoffen, dass wir hierbleiben dürfen – in Deutschland und beim SC United“, sagt Ukboaja.
Der Club hätte dagegen nichts einzuwenden. „Beide spielen in der Planung für die kommende Runde eine zentrale Runde“, sagt Nacakgedigi. Sollte United die letzten vier Saisonspiele gewinnen, würden die Weinheimer als Meister direkt in die A-Klasse aufsteigen. „Dafür geben wir alles“, sagt Cansiz, der sich nur ungern an den hauchdünn verpassten Aufstieg der vergangenen Runde erinnert. Bislang ist der SC ungeschlagen, hat nur ein Unentschieden kassiert und einen Zähler Vorsprung vor dem Tabellenzweiten TSV Sulzbach, bei dem man am allerletzten Spieltag antreten muss. Ein schwieriges Unterfangen – für Kenedy und Innocent aber ein einfaches. Und eines, das Spaß macht.
Quelle: WNOZ